14 Rückkehr der Holodomor-Erinnerungskultur in die Ukraine und die Anerkennung als Genozid

Mit der Schwächung der kommunistischen Kontrolle über das gesellschaftliche Leben in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre kehrt auch die Erinnerung an den Holodomor zurück ins öffentliche Bewusstsein. In den Jahren 1988-1989 wer-den in ukrainischen Dörfern und Städten erste Kreuze zum Gedenken an die durch den Hunger getöteten Menschen errichtet. Forscher beginnen damit, Aussagen von Augenzeugen festzuhalten.

Seit 1993 werden die unschuldigen Opfer des Holodomor in der Ukraine auch auf staatlicher Ebene gewürdigt. Der Holodomor wird im Jahr 2006 mit der Verabschiedung des Gesetzes „Über den Holodomor in den Jahren 1932-1933 in der Ukraine“ als Genozid anerkannt. Nach einem Ermittlungsverfahren, durchgeführt vom Sicherheitsdienst der Ukraine, wird dies vom Berufungsgericht der Stadt Kyjiw bestätigt.

Die Bibliographie der dem Holodomor von 1932-1933 gewidmeten und auf Archivdokumenten basierenden Arbeiten umfasst über 20.000 Positionen. Erfasst sind über 200.000 Au-genzeugenberichte. Das gesamte Material unterstreicht, dass es sich tatsächlich um einen Akt des Genozids gehandelt hatte.

Im November 2008 wurde in Kyjiw die Nationale „Gedenkstätte für die Opfer des Holodomor“ errichtet. Insgesamt wurden in der Ukraine über 7100 Mahnmäler, Denkmäler und Gedenktafeln eingeweiht, die den Opfern des Holodomor gewidmet sind.

Die Erinnerung an den Holodomor ist zu einem festen Bestandteil im nationalen Gedächtnis des ukrainischen Volkes geworden. Jedes Jahr am vierten Samstag im November zünden Ukrainer Kerzen an und stellen diese in die Fenster, als Symbol des Gedenkens an die durch den Hunger Getöteten. An diesem Tag finden Gedenkveranstaltungen statt, und es wird mit einer allnationalen Schweigeminute innegehalten.

Die Kommission des US-Kongresses, welche 1985-1988 den Hunger in der Ukraine untersuchte, betonte in ihren Schlussfolgerungen: «Josef Stalin und sein Gefolge haben 1932-1933 einen Genozid am ukrainischen Volk verübt. “ Die Schlussfolgerungen der Kommission ebneten den Weg zur internationalen Anerkennung des Holodomor als Genozid-Ver-brechen. In den darauffolgenden Jahren verurteilten die Parlamente von Estland, Australien, Kanada, Ungarn, Litauen, Ge-orgien, Polen, Peru, Paraguay, Ecuador, Kolumbien, Mexiko, Lettland und Portugal den Holodomor als Genozid-Verbrechen. Auch in einer Reihe anderer Länder der Welt wurden Beschlüsse auf regionalen und munizipalen Ebenen gefasst, welche das Genozid-Verbrechen verurteilten.

In über 40 Städten in 15 Ländern der Welt wurden Denkmäler oder Erinnerungsstätten zu Ehren der Holodomor-Opfer errichtet. Seitens der Kräfte, die sich als Erben des Stalin-Regimes betrachten, dauern jedoch die Versuche an, den genozidalen, anti-ukrainischen Charakter der Tötungen durch Hunger in den Jahren 1932-1933, zu leugnen. Deswegen unternimmt die Ukraine auf der internationalen Ebene nach wie vor erhebliche Anstrengungen, um das Wissen um den Holodomor zu verbreiten und dessen Anerkennung als Genozid-Verbrechen zu erwirken. Ge-rade eine solche weltweite Anerkennung wäre das beste Schutz-mittel, um eine Wiederholung ähnlicher Verbrechen in der Ge-schichte der Menschheit zu verhindern.

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Quelle

Broschüre des Ukrainischen Instituts für Nationales Gedenken