04 Sowjetpropaganda

Zu einem wichtigen Element bei der Errichtung des totalitären Stalin-Regimes wurde die Propaganda, welche sich auf machtvoll agierende Mitarbeiter der Geheimdienste und Zensoren stützte. Mit Hilfe der Propaganda legte die Regierung die „Volksfeinde“ fest, die zuerst aufgespürt, dann marginalisiert und zum Schluss umerzogen

oder vernichtet werden sollten. Gewöhnlich definierten die Kommunisten in der Ukraine immer zwei Arten innerer Feinde. Der „soziale“ Hauptfeind wurde als Kurkul (russ. „Kulak“), wohingegen der „nationale“ Hauptfeind als „ukrainischer bourgeoiser Nationalist“ oder als „Petljurist“ bezeichnet.

Mit dem Beginn der Kollektivierung und der Entkulakisierung nahm mit den Begriffen „Kurkul“ und „ukrainischer bourgeoiser Nationalist“ die Dämonisierung ihrer Feinde nochmals zu. Auf politischen Sowjetplakaten wurden sie mit wenig schmeichelhaften äußeren Merkmalen versehen. Ergänzt durch psychologisch geschickt inszenierte negative Charakterzüge, welche in Form von Raubvögeln und -tieren sowie verschiedenen Parasiten dargestellt wurden, vermittelten sie der Gesellschaft ihre negative und schädliche Rolle, und außerdem arbeiteten sie mit dem ausländischen Feind zusammen. Manchmal schlug die Propaganda auch konkrete Maßnahmen zur „physischen Säuberung“ von „feindlichen Elementen“ vor. Auf diese Weise bildete sich die Meinung heran, dass die „Volksfeinde“ nicht schützenswert seien, kein Mitleid verdienten und ihr Leben keinerlei Wert besäße. Obwohl die Propaganda gegen die Volksfeinde gerichtet war, richtete sie sich an alle Bürger. Denn diese forderte sie dazu auf, standhaft im Kampf gegen den Feind zu bleiben, keine Schwäche zu zeigen und kein Mitgefühl zuzulassen.

Nach dem Holodomor fügten die sowjetischen Propagandisten den „Kurkulen“, „Petljuristen“ und „Nationalisten“ noch abschätzende und erniedrigende Beinamen hinzu.

Die Sowjetpropaganda schürte den Hass und trieb eine künstliche soziale und nationale Spaltung der Gesellschaft voran. Das Stigma des „ukrainischen bourgeoisen Nationalisten“ sollte die ukrainische nationale Elite und die politische Opposition zum Sowjetregime in Verruf bringen. Das Feindbild „Kurkul“ erfüllte einen anderen Zweck, nämlich die Spaltung der ukrainischen Bauern und das Säen von Zwietracht, die zur gegenseitigen Vernichtung beitragen sollten.

Anfang der 1930er Jahre tauchten neue Feindbilder auf, nämlich die „Saboteure“ und die „Schädlinge“, mit denen die Regierung versuchte, die eigenen Fehlschläge in der Kolchoswirtschaft zu „erklären“.

Die Sowjetpropaganda schuf nicht nur dämonisierte „Feindbilder“, sondern rief auch offen zu deren Vernichtung auf. Aufrufe zur „Liquidierung“, „Vernichtung“ und „Säuberung“ von „Kurkulen“, „Petljuristen“ sowie „Schädlingen“ wurde mit Hilfe aller vorhandenen Propagandamittel verbreitet: Radio, Presse, Plakate, Wandzeitungen, an Kundgebungen und Versammlungen. Die zielgerichtete Konstruktion eines Feindbildes und die Aufrufe zur Vernichtung des Feindes sind Bestandteile einer Politik des Genozids.

Bis Ende 1932 wurde schließlich von den bolschewistischen Führern mit Hilfe der Propaganda nahezu das gesamte ukrainische Volk zu „Kurkulen“ und „Saboteuren“ erklärt.


Zurück zu Holodomor - Vernichtung durch Hunger

Quelle

Broschüre des Ukrainischen Instituts für Nationales Gedenken