01 Die Ukraine - Ein einzigartiges Land

Die Ukraine ist das zweitgrößte Land Europas. Mitte des 19. Jahrhunderts umfassten die ethnisch ukrainischen Territorien etwa 700.000 km² mit einer Bevölkerung von über 30 Millionen Menschen. Das Land ist reich an Schwarzerde und Bodenschätzen, verfügt über ein mildes und gemäßigtes Klima, welches den Anbau von Getreide und Weinreben begünstigt. Von alters her wurde die Ukraine von Reisenden daher als „Land, in dem Milch und Honig fließen“ bezeichnet.

Ukrainische Bauern Anfang des 20. Jahrhunderts (Foto aus der Sammlung des Nationalen Zentrums für Volkskultur „Iwan Hontschar Museum“).

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte die Ukraine zunächst kein eigenes Staatsgebilde. Ihre Territorien waren Bestandteile des Russischen Reiches und der Österreich-Ungarischen Monarchie. 80% der ethnisch ukrainischen Gebiete mit einer Bevölkerung von über 22 Millionen Einwohnern waren der Kontrolle Russlands unterworfen. Rund 90% der Ukrainer waren Bauern, was sie mit den anderen nichtstaatlich organisierten Völkern Zentralosteuropas gemeinsam hatten. Sie strebten nach wirtschaftlicher Selbständigkeit und betrachteten ihren Grund und Boden als höchstes Gut. Das Dorf war die Keimzelle der traditionellen ukrainischen Kultur und Spiritualität, hier wurden die ukrainische Sprache, alte Traditionen und Feste bewahrt und aufrechterhalten.

Am Vorabend des Ersten Weltkrieges produzierten ukrainische Bauern und Gutsbesitzer 43 % der weltweiten Gerste-, 20% der Weizen- und 10% der Maisernte. Der Export ukrainischen Getreides Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts spielte in der Wirtschaft des Russischen Reiches eine wichtige Rolle. Zu dieser Zeit wurde die Ukraine auch „Kornkammer Europas“ genannt.

Teilnehmer ukrainischer Wissenschaftskurse, die vom 23. Juni bis 22. Juli 1904 in Lwiw stattfanden. Auf dem Foto sieht man in der Mitte führende ukrainische Persönlichkeiten, darunter Chwedir Wowk, Mychajlo Hruschews‘kyj und Iwan Franko.

Während des 19. Jahrhunderts durchliefen die Ukrainer – wie auch andere Völker Europas – den Prozess der Nationsbildung. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die politische Forderung nach der Gründung eines unabhängigen ukrainischen Staates formuliert, die als Grundlage für die ukrainische Bewegung während des 20. Jahrhunderts dienen sollte.

Der Untergang des Russischen Reiches bot der ukrainischen Bewegung eine Chance - 1917 brach die Ukrainische Revolution aus. In allen Regionen begannen Ukrainer eigene Verwaltungsorgane und gesellschaftliche Institutionen zu bilden. Ein nationales Vertretungsorgan wurde geschaffen, der Ukrainische Zentralrat (Ukrajinska Tsentralna Rada) sowie dessen Regierung, das Generalsekretariat (Heneralnyj Sekretariat). Im November 1917 wurde die Ukrainische Volksrepublik (UNR) proklamiert und schließlich im Januar 1918 deren Unabhängigkeit.

Während der Ukrainischen Revolution etablierten sich einige Modelle nationaler Staatlichkeit: eine demokratische (Ukrainische Volksrepublik), eine konservative (der Ukrainische Staat unter Hetman Pawlo Skoropadskyj) und eine liberal-demokratische (Westukrainische Volksrepublik).

Die Ukraine verlor jedoch die militärische Auseinandersetzung mit den Bolschewiki. Ungeachtet des Scheiterns der Revolution hatten die Ukrainer ihre Fähigkeit und das Potential für eine nationale Staatsbildung unter Beweis gestellt. So wurde die Frage nach einer ukrainischen Staatlichkeit zu einem bedeutenden Faktor der osteuropäischen Politik des 20. Jahrhunderts.

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Quelle

Broschüre des Ukrainischen Instituts für Nationales Gedenken